Donnerstag, 26. Juni 2008

Waldohreulen

Seit einigen Wochen sitzt im Ahorn vor unserem Haus, gut geschützt durch die Edelkastanie in unserem Garten, eine Waldohreule (Asio otus). Heute früh entdeckte W. eine zweite, etwas kleinere Waldohreule – das Männchen. Sie sitzen so im Baum, dass das Weibchen das Männchen immer gut im Blick hat.

Wir finden die Schlafgäste im Baum, wenn wir den frischen Spuren am Boden folgen. Auf der Strasse, im Rasen, auf dem Gartentor, auf den Pflastersteinen, die zur Haustür führen, die wir täglich benützen, zum Briefkasten, den wir täglich leeren. Wir sind verpflichtet, den Gehweg rund um unsere Häuser sauber zu halten. Der Ahorn gehört der Stadt. Er wächst auf der Grenze zu unserem Grundstück und behindert die Ligusterhecke an dieser Stelle etwas an ihrem ungestümen Entfalten. Unsere Nachbarn mögen diesen mächtigen Ahorn nicht. Es ist einer der letzten Bäume überhaupt an unserer Strasse. Im Herbst wirft er viel Laub ab. Und der Wind in dieser Gegend ist unbarmherzig. Er legt das Ahornlaub wie Schnee überall ab. Außerdem verteilt er die fliegenden Samen, wann und wo immer er kann. Aber die Eulen mögen den Baum.

Ab und zu samstags kehre ich den Dreck im Rinnstein rund um unseren Garten zusammen. Kürzlich säuberte ich das blau lackierte Gartentor mit warmem Wasser und Putzlappen (entgegen handelsüblicher Empfehlungen: Auftragen von Grundreiniger-Intensiv, Bleichmittel oder Schimmel-Vernichter pur, einige Minuten einwirken lassen, zur restlosen Entfernung der aufgeweichten Verschmutzung mit Hochdruckreiniger nacharbeiten). Die Farbe ist ein Andenken an den Vorbesitzer, wahrscheinlich handelt es sich dabei um „Knallblau“ (Hexadezimal #0000ff) oder „mediumblue“ (Hexadezimal #0000CD, Dezimal 00 205) oder um eine Mischung aus beiden. Die weißen Flecken und die grauen Gewölle sind ein Andenken an die Tagschläfer im Baum. Es handelt sich hierbei um dünnflüssigen Kot und wurstförmige Speiballen.

Nachts jagen unsere Waldohreulen auf den Feldern hinter der Bürgerweide und bewundern das Lichterspiel der Hemmingstedter Raffinerie am Horizont. Tagsüber hocken sie in unserem Ahorn, schlafen, verdauen und wachen über uns. Sie beobachten alles mit geschlossenen Augen und speien die Reste ihrer Nahrung aus, welche ihre Magensäure nicht auflösen kann. Wühlmäuseknochen, pro Gewölle genau ein Schädel, Unterkiefer, Oberkiefer, Nagezähne. Wenn ich wollte, könnte ich die Feldmäusegerippe auf einem Blatt Papier in der kalten Küche wieder vollständig zusammensetzen. Und herausfinden, wie viele Mäuse unsere Eulen täglich verschlingen. Die Knochen geben die Eulen nicht mit dem Kot ab, um inneren Verletzungen vorzubeugen. Sie verpacken die spitzen und scharfen Teile in Fellreste und würgen das glatte Paket durch die Speiseröhre aus.

Die auffälligen Ohrpinsel, denen die Waldohreule ihren Namen verdankt, haben in Wirklichkeit nichts mit dem Eulengehör zu tun. Sie sind reines Schmuckwerk, zwei Federbüschel, die bei Erregung aufgerichtet werden. Im Ruhezustand und auf dem Flug werden sie angelegt und sind kaum zu erkennen. Die wirklichen Ohren liegen unter dem Gefieder verborgen an den Kopfseiten.

Unsere Eulen verlassen den Schlafplatz nach Sonnenuntergang. Nachdem sie ihr Gefieder geputzt haben, erheben sie sich geräuschlos in die Luft und begeben sich auf ihren Pirschflug. Die Säume ihrer Schwungfedern sind nicht zusammenhängend verbunden wie bei anderen Vögeln, sondern die einzelnen Adern jeder Feder sind am Ende gesplittet. Biegsame Härchen an den Rändern der samtweichen Federn verwirbeln die Abströmung der Luft und machen den Flügelschlag für die Opfer und für uns Beobachter unhörbar.

Der Ruf der Waldohreule kann hier angehört werden: http://www.vogelwarte.ch/home.php?lang=d&cap=voegel&file=detail.php&WArtNummer=3170

Die Federn der Waldohreule können einzeln hier betrachtet werden (Federsammlung, Arten (dt.), Waldohreule anklicken): http://www.vogelfedern.de/

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