Donnerstag, 30. September 2010

Windrekord 3

Zum glücklichen Monats- und Quartalsabschluss: die stärkste Böe in Deutschland wurde am 12. Juni 1985 auf der Zugspitze gemessen: 335 km/h.
Erstaunlicherweise war sie nur geringfügig mächtiger als die weltweit stärkste "Flachlandböe".

Mittwoch, 29. September 2010

Windrekord 2

Zum Vergleich: die weltweit stärkste sogenannte "Flachlandböe" wurde am 8. März 1972 in Thule (Grönland, nicht im sagenhaften Königreich von Prinz Eisenherz) gemessen. Sie war mit 333 Sachen unterwegs.

Dienstag, 28. September 2010

Windrekord

Staunend lese ich, dass Glarus einen Windrekord verzeichnet: die stärkste sogenannte "Flachlandböe" der Schweiz tollte am 15. Juli 1985 mit 190 Stundenkilometern durch Glarus und löste sich danach wahrscheinlich mit rapide abnehmender Geschwindigkeit auf über dem Tal der Linth, dem Walensee zu.
Zwei Fragen beschäftigen mich nun:
1. Warum gilt in dieser Windrekordliste Glarus als "Flachland"?
Glarus - mein Heimatort und die "kleinste Hauptstadt" der Schweiz - liegt in einem typischen Hochgebirgskanton. Eingekerkert und im Schatten von mehreren Dreitausendern.
2. Ist diese Windrekordliste noch aktuell? Hat in den letzten 15 Jahren in der Schweiz jemand eine "Flachlandböe" gesehen, gespürt, gemessen, die stärker war?

Montag, 27. September 2010

Lektion 7

daken plattdeutsch heißt "sich legen", wird aber nur für hochstehendes Getreide auf dem Feld benützt. Ungefähr dann, wenn der Septembersturm hineinfährt und es umlegt.

daken holländisch ist ein Plural und meint Dächer, Hausdächer. Also das, was über den Menschen liegt und sie schützt vor den Elementen. Das, was sesshaftes Leben besiegelt und ungestörten Schlaf oder wohlverdienten Feierabend garantiert.

Sonntag, 26. September 2010

Lektion 6

Die Sommerferien sind zu Ende. Zeit für die nächste Lektion Plattdüütsch: Schietwedder und Sünnschien.

Die Vokabeln vorneweg :
  • Regenwedder, Schuerwedder, Schietwedder (Regenwetter, Schauerwetter, Scheißwetter)
  • de Sünn schient (die Sonne scheint)
  • Regendruppen, gütt, dat pladderd (Regentropfen, heftiger Regen 2 x)
  • dat kloort up (es klart auf)
  • Hitten (Hitze)
  • luurige Luft (feuchte Luft)
  • de Luft ward bruddig (die Luft wird schwül)
  • de Daag ward körter, Storm gifft ok (die Tage werden kürzer, Sturm gibt es auch).
Die plattdeutsche Lebensweisheit hinterher:

Dat schall ober ok Minschen geben, de dat Stormwedder besonners geern möögt. De föhrt in Harvst an de See un freut sik wennt so richdig störmt un jüm de stiebe Wind um de Ohrn haut. "Siech Wedder gifft at nich," seggt se, "over falsche Kledaasch." Am schönsten is dat over obends in'e warme Bood. Wenn dat Holt in Kamin knostert un de Norwest um de Kate huult, föhlt man sik so rech tofreden. Un wenn denn noch's poor nördliche Grogs mit wenig Woter achter de Binn kippt ward, kennt nich mehr schöner warrn.

Samstag, 25. September 2010

Am Meer

Herbststrand. Keine Schafe, keine Schwimmer, keine Sonnenanbeter. Nur wir, der Wind und das Wasser, das wie immer schneller aufläuft, als der Mensch denken kann.

Freitag, 24. September 2010

Daken

Herbst in Dithmarschen: Morgennebel am Horizont. Schwarzweiße Kühe, fressend, stehend, staunend, abgewandt, zugewandt, liegend, schlafend, wiederkäuend auf einer schon müden Weide. Kein Mensch weit und breit. Keine Erhebung, so weit das Auge reicht, weder eine natürliche noch eine unnatürliche. Nur schwarz auf weiß ragt ein einziges, unmissverständliches Wort in den Himmel: Daken.

Donnerstag, 23. September 2010

double bite drumbeat

Der Merz, sagen die Macher und Könner, boxe beim Bündnerfleischrap ein double bite drumbeat. Siehe und staune und höre hier:

http://www.videoportal.sf.tv/video?id=87bc4f90-912d-4012-b854-79e859ddc6f7

Heiße Füße

Zum Aufwärmen der kalten Füße hier der "Bündnerfleischrap" von Hans-Rudolf Merz, ehemals Schweizer Finanzminister, heute Altbundesrat.
Noch im Amt beantwortete Bundesrat Merz vorgestern in der Fragestunde im Nationalrat eine Anfrage des Waadtländer SVP-Politikers Jean-Pierre Grin. Dieser äußerte sich besorgt darüber, dass die Schweiz in der ersten Jahreshälfte 815 Tonnen gepfeffertes Fleisch eingeführt habe, bereits fast so viel wie im gesamten Jahr 2009. Solches Fleisch dürfe zu einem sehr tiefen Satz verzollt werden, weshalb, nach Ansicht von Herrn Grin, der «Preisdruck auf einheimisches Fleisch inakzeptable Ausmasse» erreiche.
Als sich der Finanzminister wieder im Griff hatte, konnte er seine Antwort nüchtern abschließen: Angesichts des gesamtschweizerischen Fleischkonsums von jährlich 112‘000 Tonnen fielen die paar hundert Tonnen Pfefferfleisch nicht so ins Gewicht.

Video: Auch für Vegetarier geeignet.
Offizieller Name: «Merz-Rap» von Knackeboul
Quelle: DRS Virus

http://www.videoportal.sf.tv/video?id=c382bde0-ead9-4f77-bc9c-43a53c461f74

Mittwoch, 22. September 2010

Kalte Füße

Ich grabe Kartoffeln aus. Diesmal werden wir mindestens einen Monat lang von meiner Ernte essen können. Die Erde ist schwer und nass. Die Füße kalt. Meine und die der Kartoffeln. Auf den Rasen, der mittlerweile Ähnlichkeiten mit einem struppigen See aufweist, hat sich ein winziger Frosch verirrt. Ich kann ihm nicht helfen. Rede ihm aber gut zu. Er muss selber dorthin zurück finden, woher er zu mir zu Besuch kam.
Ich sortiere meine Kartoffeln auf dem Gartentisch. Ich habe große (erstaunlich große!) aus dem Boden gezogen. Kleine, mittlere, knubblige, rechteckige, handliche, anschmiegsame. Freundliche. Lachende. Weinende. Verletzte. Missachtete. Angefaulte und zerschnittene - leider, da in meinem Beet keine strenge Ordnung herrscht. Sondern chaotische Zustände. Ein wildes Durcheinander. Ein völlig durchnässter Boden. Alles wächst, wie und wo es kann. Hoch lebe der winzige Frosch auf meiner Wiese!

Dienstag, 21. September 2010

Nasse Füße

W. kam heute mit dem Fahrrad nach Hause. Von Heide nach Meldorf führt sein Weg durch ein kurzes Stück Moorlandschaft. Nach den heftigen Regenfällen der letzten Tage ist es überschwemmt und gesperrt.
W. hatte keine Zeit, zurückzufahren, den nächsten Zug zu nehmen oder das unter Wasser stehende Gebiet großräumig zu umfahren. Die Sonne wäre unwiderruflich untergegangen und mit ihr das Tageslicht. W. wäre womöglich irgendwo in der Feldmark untergegangen. In der Dunkelheit steckengeblieben.
Also fuhr W. tapfer durch das knietiefe Wasser. Er habe treten müssen, beteuert er. Immer wieder mit einem Fuß in das morastige Wasser tauchen. Dann mit dem anderen. Sonst wäre er nicht vorwärts gekommen.
Zu Fuß wäre er auch nicht weit gekommen. Es lagen noch mindestens 12 Kilometer vor ihm. Die Sonne hing knapp über dem Horizont. Der Wind wurde schärfer und kälter.
Die Situation war nicht ausweglos.
W. kam heute mit dem Fahrrad nach Hause. Mit nassen Rädern, nassen Pedalen, nassen Füßen, nassen Socken, nassen Schuhen, nassen Hosenbeinen und nassem Gepäck.

Samstag, 18. September 2010

Nordseefüße

Was machen zwei - wie es heißt: "abgetrennte" - menschliche Füße, ein linker und ein rechter an zwei Enden der Welt? Auf ungefähr demselben Breitengrad an zwei Ufern, am westlichen und am östlichen, der südlichen Nordsee?
Die englische Nordseestadt Hull liegt auf 53° 45' N, die westfriesische Insel Terschelling auf 53° 24' N.

Was macht die Nordsee mit Menschenfüßen?
Warum konnten die Schuhe eindeutig als Paar erkannt werden - nicht aber die Füße. Ganz zu schweigen von den Socken.
Ist Leder salzresistenter als Fleisch, Muskeln, Selbstgestricktes?
Steckten die Menschenfüße in Baumwolle oder Regenstiefeln?

Und was machte der Mensch zu Fuß auf der Nordsee?
Vielleicht liegen seine Arme ausgebreitet auf dem Ärmelkanal.
Möglicherweise könnte dann die Staatsangehörigkeit der Füße und Arme festgestellt werden.

Freitag, 17. September 2010

Der linke Fuß

Was sagt der linke Fuß eines Menschen?
Nichts, denn er kann nicht sprechen.
Was tut der linke Fuß eines Menschen?
Nichts, denn er kann weder gehen noch schwimmen.
Ordentlich angezogen, mit Socke und Schuh, fanden ihn vor ein paar Tagen Spaziergänger am Strand der westfriesischen Insel Terschelling.
Die niederländischen Gerichtsmediziner versuchen nun, die DNA des Fußes zu bestimmen sowie das Geschlecht des Menschen, zu dem der Fuß einmal gehört haben muss.
Im Rahmen der Ermittlungen nehmen Polizeibeamte Kontakt auf mit dem Hersteller des Schuhs. Dabei stellt sich heraus, dass eine verblüffend ähnliche Anfrage bereits vorliegt. So kommt der linke Fuß zum rechten Fuß. Über die Schuhe.
Die Schuhe beweisen, dass die Füße zusammen und einem Menschen gehören.

Donnerstag, 16. September 2010

Der rechte Fuß

Was sagt der rechte Fuß eines Menschen?
Nichts, denn er kann nicht sprechen.
Was tut der rechte Fuß eines Menschen?
Nichts, denn er kann weder gehen noch schwimmen.
Ordentlich angezogen, mit Socke und Schuh, wurde er vor ein paar Wochen in der Stadt Hull an der englischen Nordseeküste angespült.
Britischen Gerichtsmedizinern gelang es nicht, die DNA des Fußes zu bestimmen, noch das Geschlecht des Menschen, zu dem der Fuß einmal gehört haben muss.
Im Rahmen der Ermittlungen nahmen Polizeibeamte Kontakt auf mit dem Hersteller des Schuhs.

Mittwoch, 15. September 2010

Mittwoch, der Fünfzehnte

Ich habe mich vollständig eingesammelt und aufgelistet: alle meine Namen, alle meine Geburtsorte, Heimatorte, Wohnorte, Aufenthaltsorte, Meldeadressen im In- und Ausland. Ich habe ein aktuelles Foto von mir machen, meinen aktuellen Hauptwohnsitz bestätigen und den letzten Steuerbescheid kopieren lassen.
Dann bin ich nach Heide gefahren, zum Kreishaus gelaufen und habe mein Einbürgerungsgesuch im richtigen Zimmer vorgelegt, unterschrieben und abgegeben.
Dann bin ich nach Hause gefahren und habe mich wieder an meinen Schreibtisch gesetzt. Geändert hat sich an meinem Leben gar nichts. Es hat nur noch einmal auf einem Formular vollständig Platz gefunden.

Montag, 13. September 2010

Montag, der Dreizehnte

Die Sonne scheint am Nachmittag fast ununterbrochen. Ich mähe Rasen und veranstalte einen Riesenlärm mit dem Vertikutierer. Noch nie in diesem Jahr hatte ich soviel Schnitt. Das Gras scheint nach dem Dauerregen der letzten zwei, drei Wochen endlich erwacht zu sein. Und die Erde riecht schon schön nach Herbst.

Samstag, 11. September 2010

Schusterjunge

für Anton, den Jüngeren
zum 90. Geburtstag mit den allerbesten Wünschen!

Dieser Schusterjunge sitzt seit 1984 in seiner bronzenen Schuhmacherschürze, mit dem bronzenen Schuhmacherhammer in der bronzenen Hand und einem bronzenem Stiefel kopfüber bzw. sohlenauf zwischen den bronzenen Knien auf einem bronzenem Schuhmacherstuhl am Schuhmacherort in Heide.
Heute ist dieser Ort eine sogenannte "Gastromeile". Immer schon war dieser Ort eine Straße. Früher eine Handwerkerstraße. Hier arbeiteten Schuhmacher und Gerber.
1846 - da lebte noch keiner der Schweizer Antons, weder der Ältere noch der Jüngere - gab es in Heide 158 Schuhmachermeister mit 166 Schuhmachergesellen.
Der Schusterjunge von 1984 ist das Werk des Bildhauers Siegfried J. Assmann.

Freitag, 10. September 2010

Fernziel

Das Ziel ist immer, an den Ursprung zu kommen.

Falls es irgendwann wieder aufhört zu regnen, falls der nächste Winter auch einem Frühling weicht, falls wir dann noch Kraft in den Beinen haben, möchte ich natürlich zur Quelle des Po am Pian del Re gelangen.

Die Quelle liegt auf 2.022 MüM, die Mündung auf 0.00.

Donnerstag, 9. September 2010

Das Odinshühnchen und das Thorshühnchen

Endlich wieder zu Hause. Wir haben keine Lust, schon wieder Zug zu fahren. Und es ist kein Wetter für einen Fahrradausflug ans Meer.
So lesen wir nur in der Zeitung, dass das Odinshühnchen wieder da ist. Im Speicherkoog haben sich einige der seltenen Schnepfen aus der Familie der Wassertreter vorübergehend niedergelassen. Am Rande des kleinen Gewässers nördlich des Surfsees wollen Vogelbeobachter bis zu 18 Odinshühnchen gesichtet haben. Die Nachricht von der Ankunft der Tiere ziehe zweimal im Jahr viele Tagesgäste an, heißt es.
Wir bleiben zu Hause und gucken ins Internet. Das Odinshühnchen ist zwei Zentimeter kleiner als das noch seltenere Thorshühnchen. Alles Namen von nordischen Gottheiten. Den Sommer verbringen sie in arktischen Regionen, den Winter an tropischen und subtropischen Küsten. Odinshühnchen sind regelmäßige Durchzügler. Sie rasten auf ihren langen Zügen nach Norden oder Süden jeweils an der Nordseeküste. Im Meldorfer Speicherkoog. Im Mai und im September.
Bei beiden, beim Thorshühnchen und Odinshühnchen sind die traditionellen Rollen vertauscht. Das Weibchen ist bunt gefiedert, balzt, überlässt dem Männchen den Nestbau, das Bebrüten des Geleges und die Pflege des Nachwuchses. Nach drei Wochen sind die Jungen flügge. Das Thorshühnchenweibchen kann sich ein zweites Mal mit einem Männchen paaren, zieht aber nach der zweiten Eiablage bereits Mitte Juli sofort in den warmen Süden. Odinshühnchen brüten im allgemeinen nur einmal pro Jahr. Nur bei einem Überschuss an Männchen kommt es zu zwei "mehr oder weniger ineinander verschachtelten" Bruten pro Weibchen.

Mittwoch, 8. September 2010

Kommentarfunktion

Ich habe die Kommentarfunktion re-aktiviert. Wer will, kann wieder "anonym" Kommentare schreiben, ohne sich anmelden oder ein eigenes Konto eröffnen zu müssen.
Zu Spamvermeidung kommt aber eine Sicherheitsabfrage, dh. das System gibt ein Wort vor, dessen Buchstaben korrekt eingetippt werden müssen. Erst dann wird der Kommentar angenommen und veröffentlicht.

Dienstag, 7. September 2010

Der erste Schock

Ich friere den ganzen Tag und kann mir schon nicht mehr vorstellen, wie wir vorletzte Nacht litten in Mailand, da wegen Straßenlärm die Fenster nicht offen bleiben konnten.
Zum "Ohrenbär" (= Radiogeschichten für kleine Leute, täglich von 19.50-20.00) lege ich mich ins Bett.
Danach, ich traue meinen Ohren nicht, die Augen habe ich fest geschlossen, sendet das NDR-Inforadio nun die Tagesschau. Wortwörtlich, aber natürlich ohne Bilder. Was wir normalerweise in Radionachrichten in 5 Minuten gesagt bekommen, wird jetzt zu einer Viertelstunde aufgebläht. Mit geschlossenen Augen höre ich den Betrug. Es wird nicht mehr gesagt, sondern nur bildlicher gesprochen. Obwohl das Fernsehen die Bilder zeigt. Und die Sprache gar nicht nötig hätte, um die Bilder noch bunter zu machen.
Als Radiohörerin werde ich um zehn Minuten meiner Lebenszeit betrogen, wenn ich Fernsehnachrichten hören muss, obwohl ich das Radio eingeschaltet habe.
Fernsehzuschauer werden um mindestens ihr halbes Leben betrogen, aber die wollen das ja. Die wollen den neusten Flach-Groß-Bildschirm in ihrer guten Stube stehen haben. Und die wollen Abend für Abend das Ding einschalten und Tagesschau sowie alles andere, was gezeigt und überflüssigerweise obendrauf noch kommentiert wird, sehen. Die wollen das.
Ich will das nicht. Ich werde in Zukunft nach dem "Ohrenbär" das Radio sofort ausschalten.

Montag, 6. September 2010

Der zweite Empfang

Wir fahren mit Sonnenuntergang in Meldorf ein. Das Haus ist kalt und riecht wie immer, wenn wir länger weg waren, fremd. Auf dem Dach sitzt eine Eule. Sie wartet geduldig, bis wir sie entdecken. Dann erst begibt sie sich geräuschlos auf ihre nächtliche Jagd.

Milano Malpensa

Vor genau siebzehn Jahren hatten wir uns hier einmal verpasst.
Ich wartete in Milano Malpensa vergeblich auf W.
W. wartete in Milano Linate vergeblich auf mich.
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Mailand mehr als einen Flughafen haben könnte. Keiner von uns besaß damals ein Mobiltelefon. Niemand besaß damals ein Telefon, das man in die Tasche stecken konnte. Trotzdem kamen wir zusammen.

Nachdem wir die Alpen überquert haben: Wunderbare Sicht! Ich starre eine Stunde lang fasziniert auf die Welt unter mir.

Sonntag, 5. September 2010

Der erste Empfang

Mir wird, wie immer, übel in den italienischen Neigezügen. In Mailand erwartet uns Rodolfo, Astronom und Tourismusfachmann.
Wir benehmen uns wie Sonntagstouristen, besichtigen den frisch renovierten Dom, spazieren zum Schloss und trinken Cappuccio. Abends essen wir bei Dicky Tagliatelle mit Meeresfrüchten unter Pizzateigdecke. Ich habe leider vergessen, wie das Gericht im Original heißt.

Der erste Regen

Auf dem Weg zum Bahnhof treffen uns die ersten Regentropfen. Wir ziehen die Koffer hinter uns her und besteigen um 11.02 den Zug nach Mailand. Er fährt durch Peschiera del Lago. Wir betrachten von der Brücke, die wir von unserem Zimmer aus gesehen hatten, noch einmal das schlechteste Hotel unserer Reise.

Samstag, 4. September 2010

Cappelletti

for frideswida sapateira honorabilis

Wir latschen zu Fuß durch Verona und blicken - von der Hitze geplagt - den Menschen statt in die Gesichter auf die Füße. Zwei Hochzeiten in San Zeno (schönste romanische Kirche Norditaliens). Gemessen am alten Straßenpflaster tragen die Frauen halsbrecherische highheels. Der Professor hat Probleme mit seinen Schuhbändeln. Einer ist auf der Reise gerissen. Wir hatten Ersatz dabei und wechselten aus Vernunft die Bändel an beiden Schuhen aus. Die neuen aber sind zu lang. Auf den Pedalen durch die Weinberge störte das weniger als auf dem Unescogeschützten Veroneser Straßenpflaster. Die Siesta ist bereits um, als wir an der Porta di Borsari ankommen. Also bitten wir im ersten Schuhladen um Abhilfe. Weit gefehlt, hier werden nur Schuhe verkauft, erklärt man uns mit stolz zum Himmel erhobenen Händen. Und schickt uns zu Cappelletti. Wir müssen noch zweimal fragen, bis wir Cappelletti an einer Hintergasse, der Corticella San Marco 15 A finden.

Cappelletti sind, ich habe es nachgeschlagen
  • in der Gastronomie: mit Fleisch gefüllte kleine Nudeln in Hütchenform
  • im Militär: Helme oder Eisenhüte
  • in der Fußbekleidungswelt: die verstärkten Zehenteile eines Strumpfes.
Bei Cappelletti gibt es alles, was das Schuhherz begehrt. Von Regenschirmen über Hosengürtel bis zu Portaborse. Cappelletti repariert auch alles, was Füße kaputt treten und Hände entzwei reißen. Wir verstehen uns ohne Worte. Die alte Schuhmachersfrau, Signora Falziroli kommt bereitwillig um den Tresen herum, betrachtet W's Schuhe kritisch, zählt die Löcher für die Bändel, murmelt Zahlen vor sich hin, steigt, wieder hinter dem Tresen angekommen, auf eine Leiter, holt die richtige Schublade herunter und bietet zwei Ausführungen von schwarzen Schuhbändeln der richtigen Dicke und richtigen Länge an. Wir kaufen beide. Eine Minute vor Feierabend und Wochenende.

Abschied von den Fahrrädern

Wir bringen die Fahrräder zurück und gehen zu Fuß weiter.
W. hat bereits gerechnet: wir sind unfallfrei 620 Kilometer gefahren. Ich musste am ersten Tag einen platten Reifen auswechseln und am letzten Tag ein hartnäckig immer wieder klapperndes Schutzblech besänftigen.

Der letzte Tag auf den Fahrrädern

Wir fahren nach Verona zurück. Haben keinen Fluss mehr, der uns leitet. Sondern Hügel. Weinberge. Die uns die Sicht stehlen. Es wird der anstrengendste Tag der Reise. Schon im Hotel müssen wir unsere Satteltaschen drei Stockwerke hinuntertragen, da der Lift nicht funktioniert. Wohl aus Umweltgründen, denke ich mürrisch. Auf dem Fahrrad sind weder die Taschen noch die Hitze eine Last. Zu Fuß oder in der Hand aber schon.
Wir fahren zurück zum Stauwerk Monzambano und schieben auf der anderen Flussseite die schweren Räder den steilen Weg zur Straße nach Salionze hoch. Danach geht es abwärts in den Ort. Und wieder aufwärts auf CPPA (Ciclopista Pedemontana Alpina - oder Bicitala numero 12). Und so weiter. Und so fort. Den höchsten Punkt der ganzen Reise erreichen wir vor Sommacampagna (121 m ü M + Zentrum der norditalienischen Schuhindustrie). Dort bleiben wir kurz liegen, ich behebe den zweiten technischen Schaden unserer Reise. Das Schutzblech an W's Vorderrad klappert. Wir machen einen kleinen Umweg über den Aeroporto Valerio Catullo (= Flughafen von Verona) und gelangen nach der Überquerung der A4 bei Ceolara wieder auf CPPA. Wohl bemerkt: ohne einen einzigen Hinweis auf den Straßen. Nur nach dem exzellenten Kartenmaterial meines Reiseleiters. Nachdem wir noch mehrere Autobahnen und Bahngeleise sicher über- oder unterquert haben, rollen wir nach San Massimo nur noch abwärts, geradewegs auf Verona zu und zum Hotel Martini. Dort warten bereits zur Mittagszeit unsere leeren Koffer, ein sauberes Zimmer, eine funktionierende Aircondition, kaltes Wasser in der Minibar, heißes Wasser im Bad.

Die Namen der Winde

Am Ufer des Gardasees packe ich die Namen der Winde ein.
Der Schönwetterwind, Sonnenaufgangswind, Vormittagswind, Nordostwind vom Monte Brione ist männlich und heißt Pelèr, Pelerì (schwacher Pelèr) oder Peleròt (stärkerer Pelèr). Seine Starkwindzone reicht bis kurz hinter Malcesine. Bei beständigem Wetter bläst er nur vormittags, ändert er seinen Stundenplan, bringt er schlechtes Wetter.
Der Südwind, Mittagessenswind, Nachmittagswind, Sonnunentergangswind, als Windstrich östlich der Sarcamündung (zwischen dem Hotel Lido Blù und dem alten Fischerhafen von Torbole) auch Wellenreiterwind, ist pünktlich wie eine Uhr und weiblich. Diese sanfte Windfee heißt Ora oder Oresina (eine sehr leichte Ora).
Der Ausnahmewind, Winterwind, Kälteeinbruchswind ist selten und heißt Balì oder Balinot. Er entsteht, wenn im nordwestlichen Teil von Riva bei Schneefall die Lufttemperatur stark absinkt, über dem See aber unverändert bleibt. Dann braust Balì mit einer Stärke bis zu 20 Metern pro Sekunde von der Küste über den See, mindestens einen Tag lang. Länger als drei Tage und drei Nächte reicht seine Kraft aber nie aus.
Der sommerliche Westwind, Abendwind und Nachtwind kommt aus dem Ledro-Tal und heißt Ponale. Wenn er sich ausnahmsweise mit dem Pelèr vereinigt, wird er sehr böse und bildet fächerförmigen Böen.
Im Winter heißt Pelèr Vent de Fioca oder Vent Gròss.

Freitag, 3. September 2010

swisslike

Auf dem Gardasee.
Nein, das Unwetter, das über dem Monte Brione am Horizont dräut, erreicht uns nie.
Die Wolken ziehen zwar mit uns von Nordosten über den See, entleeren sich aber nicht.

Ohne Begeisterung

Mir ist die Aussicht zu schweizerisch. W. freut sich über die vorbeifahrenden Züge. Dafür ärgert er sich über die leere und warme Minibar. Unseren Wasservorrat hatten wir in Pozzolo aufgefüllt. Nach 50 km ohne Frühstück und bei 30° im Schatten trinkt aber jeder Fahrradfahrer gerne mal etwas Kaltes.
Allein das Einschalten der Minibar (sprich: die Stromzufuhr) kostet 2 Euro pro Tag. Wir verzichten darauf. Bis die Minibar sich heruntergekühlt hat, sind wir längst über alle Berge.
Im Bad liegt ein Zettel, die Handtücher würden aus Umweltgründen nur jeden zweiten Tag gewechselt. Dies betrifft uns nicht (und hätte man uns deswegen diskret verschweigen dürfen, meint der Tourismusexperte), da wir keinen zweiten Tag hier verbringen werden. Wir benützen sie trotzdem und fahren sauber und adrett angezogen an den Lago di Garda. Besteigen ein normales Linienschiff, wählen eine Route, bei der wir möglichst viel Zeit auf dem See verbringen. Bestaunen die Landschaft. Über Sirmione, Lazise, Cisano, Bardolino (ja, da kommt der Wein her!) nach Garda. Und wieder zurück. Danach essen wir die schlechteste Pizza der Reise. Und schlafen im schlechtesten Hotel.

Ohne Zimmer

Die Rezeptionistin spricht in derart gestelztem Deutsch, dass ich kein Wort verstehe. Sie würden die Zimmer ab 14 Uhr "garantieren", will sie uns klar machen, wir könnten aber vorher schon den Swimmingpool benützen. Das will ich einfach nicht verstehen. Der Professor hingegen will nicht akzeptieren, dass wir ein Zimmer - wann auch immer - zur Straßenseite hin bekommen. Das Hotel liegt zwischen einem lauten Autobahnzubringer und einer Postkartenaussicht (swisslike: malerische Eisenbahnbrücke vor Bergen und See). Wir fläzen uns in die Ledersessel gegenüber der Rezeption, leeren unsere Plastikwasserflaschen und knabbern beleidigt an den trockenen Frühstücksresten.
Gegen zehn Euro Aufpreis bekommen wir schließlich ein Zimmer eine halbe Stunde "vor Garantie" und zur Postkartenseite.

Ohne Frühstück

"Ohne Frühstück", wird W. erzählen, seien wir fast 50 Kilometer gefahren. Dies, obwohl ich für ihn den Inhalt eines Tütchens Nescafé, für mich einen Teebeutel in je einer der zwei vorhandenen Tassen mit kochendem Wasser übergossen hatte. Obwohl er ein Schokoladenhörnchen aus Alufolie geschält und ein biologisch gesundes Karottenküchlein aus einer durchsichtigen Aromaschutzhülle geborgen hatte.
Über die Via del Mulini gelangen wir zum Radwanderweg entlang des Mincio. Schöne, wenn auch wortkarge Strecke. Je näher wir dem Gardasee kommen, desto mehr Wasser führt der Mincio, desto mehr Staustufen gibt es, desto mehr Bewässerungseinrichtungen für die Felder. Mit Valeggio sul Mincio kommen auch die ersten Hügel auf. Malerische Burgen. Und Menschen. Kurve verpasst! Ruft einer mit bayerischem Akzent nach Vollstopp. In Polen wäre sein Sprechakt als ordinärer Fluch verstanden worden. In Monzambano wechseln wir auf die andere Mincioseite und geraten nun vollends in den Sog verbisseer Gardaseeausflügler. Der versprochene Regen ist wieder ausgeblieben, wir stehen um 12:30 verschwitzt an der Rezeption des Hotel Rivus in Peschiera del Garda.

Donnerstag, 2. September 2010

Bei Vergil

Den alten, sitzenden Vergil treffen wir am Nachmittag an der Fassade des Palazzo della Ragione an der Piazza Broletto. Nachdem wir den Palast der Gonzagas besucht hatten, nur wegen der St- Georgs-Burg, und nur wegen der berühmten camera degli sposi. Mit Fresken an den Wänden von Andrea Mantegna, Szenen aus dem Leben der Gonzagas - sonst ist nichts ersichtlich, was in dieser Kammer ihren Namen verliehen hat. Es gibt kein Mobiliar, nicht einmal ein Bett. Der Tourismusprofessor ärgert sich über die sozialistische Organisation, Hunderte von Fotografieren-Strengstens-Verboten-Schildern, über die Einbahnschilder an jeder Ecke und die daraus resultierende verordnete Marschroute. Er marschiert, wie gewünscht, und fotografiert, wie nicht gewünscht. Es spricht für das sozialistische Arbeitsethos, dass es die Aufpasser nicht im Geringsten kümmert, was die Überwachungskameras aufzeichnen. Im Raum der Flüsse sehen wir den Po mit goldenen Hörnern. Der schönste Fluss Italiens! Apéritiv im Caravatti, dem besten Café am Platz. Essen im Freien unter Torbogen, Risotto mit Zucca, Polenta mit Luccio. Zur Verdauung spazieren wir zum modernen, stehenden Vergil im Park vor dem Lago di Mezzo. Seine pathetische Haltung gefällt mir nicht und zum Fotografieren ist es Gottlobunddank zu dunkel.

"this is your breakfast"

Die Italiener sind keine Frühstücker. Im Stehen ein Espresso. Im Gehen ein süßes Teilchen.
B&B (= Bed & Breakfast) ist keine gute Idee in Italien. Die Frau, die uns in Mantova an bester Stelle das Bett vermietet, überreicht uns schon zur Begrüßung das Frühstück. Am hellen Nachmittag. This is your breakfast, sagt sie genau um 14.05 Uhr und zeigt auf einen Picknickkorb. Daneben steht ein Wasserkocher. Plus 2 Halbliterflaschen Acqua naturale. Alles aus der Retorte, in Plastik eingeschweißt, unvergänglich, ewig haltbar, nie frisch gewesen. Einschließlich des Kaffees.
Wir duschen, ziehen saubere T-Shirts an und fliehen zu Fuß in die heiße Stadt.

Der letzte Blick auf den Po

Bis Sacchetta fahren wir Sinistra. Es ist heiß und wir werfen einen letzten Blick auf den Po. Dann folgen wir seinem Nebenfluss Mincio bis nach Mantova.
Kurze, heiße Tagesetappe, 45 km. Wir gelangen auf guter Straße nach Pietole Vecchio, den Geburtsort Vergils. Wir müssen zum ersten Mal die Räder schieben. Auf einem Brennnesselbestandenen schmalen Uferweg.
Wir übernachten zum ersten Mal in B&B.

Mittwoch, 1. September 2010

Zum ersten Mal in der Provinz Mantova

Wir verlassen Ferrara auf dem Radweg nach Cassana und folgen dem ökologischen Korridor entlang des Burana-Kanals bis Bondeno.

Bei Rocca di Stèllata, der letzten Este-Festung, machen wir die wievielte Apfelpause?

In Sèrmide nehmen wir allen Mut zusammen und überqueren auf der großen Brücke den Po und gelangen auf Sinistra nach Ostiglia. 3 Kilometer vor der Stadt, die wir vor einer Woche jenseits des Flusses verlassen hatten, beginnt diesseits des Flusses die Region Mantova. Der Straßenbelag wird schlagartig löchrig.

Zur Besänftigung der Beinmuskeln gehen wir schwimmen. Zum ersten Mal. Im Hoteleigenen Pool. Wunderbar!