Donnerstag, 31. Mai 2012

Die Pianistinnenbank

Seit dem ersten Gewitter vor ein paar Tagen weicht der Druck nicht vom Kopf. Und seither bin ich Warschaumüde. Es ist alles anstrengend. Das Land benimmt sich wie der kleine Kater. Voller Neugierde und Kraft, aber unvernünftig. Verpufft sinnlos seine Energien.
Am Abend in der Philharmonie. Ein Konzert mit der Sinfonia Iuventus. Die Tochter von Leszek und Marylla spielt Geige. Alle Kinder meiner alten Freunde sind heute erwachsen. Und aus allen, ausnahmslos, ist etwas geworden. Ewa Strusińska (http://www.ewastrusinska.com/) dirigiert. Mein Gott - wie viel Energie! Was für ein Fingerspitzengefühl. Was für eine Taktlosigkeit. Die Frau dirigiert mit dem Kopf, mit jedem einzelnen Haar. Mit dem Gesicht. Mit jedem einzelnen Muskel. Die Frau dirigiert nach hinten, in den Saal hinein, ins Publikum. Wie viel Freude sie aus einem so abgehalfterten Stück wie Mozarts Jupitersinfonie herauskitzelt. Und dann die Solistin. Leonora Armellini aus Padua spielt Chopin. Dreht als erstes die Pianistinnenbank vor dem Steinway hoch. In aller Ruhe. Mit nur 20 Jahren. Führt sie den Polen vor, wie man Chopin italienisch spielt. Mit Feuer im [A ...], sorry, im grazilen Körper natürlich. Das erste Klavierkonzert e-moll in Gänze. In Fragmenten ertönt es Tag für Tag aus einer der Chopinbänke auf dem Königstrakt.
Ich bin durch den Regen nach Hause gelaufen. Leszek und Marylla sind in die Metro gestiegen. Die erwachsene Tochter ist mit dem Orchester "odreagować" (Stress abbauen) gegangen. Der Mai hat doch noch ein gutes Ende genommen. Diese Land ist voller positiver Energie.

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