Montag, 15. März 2010

Lustrum

Lustrum ist ein Neutrum und hat nichts mit Lust zu tun.
Das Wort Lustrum hatte ursprünglich etwas mit Licht zu tun. Etymologisch gehört es zu lateinisch lustrare = hell machen, reinigen.
Heute hat Lustrum - wenn überhaupt - nur noch etwas mit Zeit zu tun. Auch mit Vergänglichkeit. Denn kaum jemand, außer den Polen, dürfte das Wort noch in seinem aktiven Wortschatz haben. Und es hat mit Rhythmus, Takt, Reim, Sinn und Form zu tun. Angeblich mochten schon die römischen Dichter das Wort nur noch aus metrischen Gründen.

Die Polen haben das Substantiv zu lustrare, nämlich lustratio übernommen, um ihre Staatsbediensteten auf Verstrickungen mit dem eigenen oder mit fremden Geheimdiensten zu überprüfen. Sie nennen den Vorgang "lustracja", es gibt "raport lustracyjny" oder "plany lustracyjne" oder "akta lustracyjne". Man kann jemanden "lustrować" oder "poddawać lustracji" oder an jemandem "dokonać lustracji".

Lustrum war in der altrömischen Zeit ein Reinigungs- oder Sühneopfer. Damit beendeten die Censoren die Steuerschätzung und Musterung der Bürger. Es fand statt auf dem Marsfeld vor den Toren Roms. Drei Opfertiere, meist Eber, Widder und Stier, wurden um das versammelte Volk herumgeführt und dann dem Gott des Krieges geopfert. Das Lustrum fand alle fünf Jahre statt.
Seit dem Ende des 3. Jahrhunderts vor Christi steht das Wort nicht mehr für die Sache, sondern nur noch für den Zeitraum. Die 5 Jahre. Und so ist das bis heute geblieben. Lustrum bedeutet in der gehobenen deutschen Sprache ein Jahrfünft.

In meine Stube gelangte das Jahrfünft über meinen angeheirateten Berliner. Der liebt das englische Quinquennium über alles. Kürzlich hielt er auf einer internationalen Tourismusmesse einen Vortrag in Englisch. Der wurde simultan ins Deutsche übersetzt. Fürsorglich wies er den Dolmetscher vor Beginn darauf hin, dass er das altertümliche Wort Quinquennium benützen werde. Der Dolmetscher erklärte meinem verdutzten Berliner, dass für Quinquennium das adäquat altertümliche deutsche Wort Lustrum existiere. Nach dem Vortrag trat ein Kollege aus Neuseeland auf meinen Berliner zu. Er habe, sagte der außer sich vor Freude, ein neues englisches Wort gelernt.

So kommen die Wörter in die Welt. Über Münder, Mägen, Messen, kranke oder gesunde Hirne, Zielmikrofone, Geheimagenten, Steuererklärungen ...

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