Dienstag, 10. Juli 2012

Robinson Crusoe

Wir brechen früh auf, trotz Hochzeitstag (223 Monate verheiratet). Wieder sind schwere Unwetter, sintflutartige Regenfälle vorausgesagt. Am Horizont ist es hell. Ich bin zuversichtlich. W. hat sich die nächste Busstation ausgeguckt. Wir laufen die schwerste Belastungsprobe unserer Ehe an. Bei Ebbe am Sandstrand entlang nach Lower Lago (Alexander Selkirk Memorial Meile 31 - die lebendige Vorlage zu Robinson Crusoe wurde hier geboren).
Zurück ins Crusoe Hotel zu einem hervorragenden Espresso. W., mein persönlicher Reiseleiter, bereits verschwitzt und leicht genervt, hat sich vorgenommen, hier auf den nächsten Bus zu warten. Die Bushaltestelle befindet sich praktischerweise, wie er sagt, gleich neben dem Hotel. Ich, die Wetterexpertin vom Wattenmeer, gucke in den Himmel und in die Landschaft. Ich bestehe darauf, dass wir zu Fuß weitergehen. Weil es gerade so schön ist. W. gesteht mir am Ende unserer Reise, weshalb er  nachgegeben hat: Lieber dem Willen der Frau folgen und im Starkregen von den Klippen stürzen als im Sonnenschein mit dem Bus durch die Landschaft gondeln und trocken in Elie ankommen.

Wir marschieren tapfer dem schönen Wetter entgegen, durchqueren mehrere kissing gates (viehsichere Holzschranken), kommen wieder auf die alte Eisenbahnstrecke. Bequemer breiter Grasweg, wieder viele Hoppelhäschen. Dann zum Strand, roter Sand, ab den Drumeldrie Ruins durch die verwachsenen Dünen. Hohes Schilfgras, wilde Rosen. Über den Cocklemill Burn zum riesigen Shell Bay Caravan Park, fürchterlich, links Blechdosen mit gepflegten Vorgärten, rechts Wohnwagen. Pause auf einer Bank. Wir verzichten auf den chainwalk (1 Stunde in der Steilküste hängen, über dem ablaufenden Wasser, an Eisenkette entlanghangeln) sondern klettern auf das Kliff hoch (63 M ü M = höchster Punkt der Reise!), kommen an Sendemasten und Geschützstellungen aus dem 2. Weltkrieg vorbei und steigen viele viele Gras- und Steinstufen wieder hinab. Zum Golfplatz. Zum roten Strand. Bei Regen wäre es in der Tat halsbrecherisch gewesen, aber der Himmel ist gnädig aufgehellt, wir stapfen über den feuchten Sand, rund um Ealsferry bis nach Elie Bay. B&B bei Meile 38, geführt von junger Mutter (zwei Töchter), die sich bereit erklärt, unser ganzes nasses Zeug in die Waschmaschine zu schmeißen und danach zu tumblern. Anders kriegt man Wäsche hier nicht trocken. Wir essen die letzte Stulle mit dem polnischen Brot aus Kirkcaldy auf, beenden den Tag mit zwei Whisky und einem Hölderlinzitat: "So viel für heute, nächstens mehr" (Hyperion).

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